11.06.2018

Südwest Presse

Serie SPORT IM BLICK. Der 20-jährige Motocrossfahrer Elias Stapel vom 1. RMC Reutlingen fährt zwar in der deutschen und internationalen Spitze mit, setzt aber nicht alles auf eine Karte.

Als am 12. und 13. Mai das 56. Internationale Reutlinger ADAC Motocross auf dem Gelände des 1. RMC Reutlingen über die Bühne ging, überraschte unter den ohnehin insgesamt stark agierenden Lokalmatadoren ein junger Mann, der zwar in der Vergangenheit schon öfters sein großes Talent angedeutet hatte, den aber selbst die Fachleute so weit oben nicht auf der Rechnung hatten. »Das kommt fast einer Sensation gleich, schließlich musste sich Elias in einem exzellent besetzten Teilnehmerfeld behaupten«, lobt Michael Saur, Erster Vorsitzender des 1. RMC Reutlingen, den Youngster, der in der 250-ccm-Klasse auf den dritten Platz fuhr. Gemeint ist Elias Stapel, der aus dem nur 300 Einwohner zählenden Kettenacker, einem Stadtteil von Gammertingen im Landkreis Sigmaringen, stammt. »Auf dem Dorf hat man seine Ruhe«, sagt Elias Stapel und blickt mit dieser Aussage auch auf seinen Werdegang zurück. Während Großstadtkinder mitunter verzweifelt nach freien Flächen oder Spielplätzen suchen müssen, konnte er einfach auf der Wiese hinter dem Elternhaus ungestört loslegen – mit vier Jahren. »Mein Vater war schon Motocrossfahrer und lebt bis heute für den Sport. So war es kein Wunder, dass er meine zwei Brüder und mich mit der Leidenschaft infiziert hat«, meint Elias Stapel, der inzwischen 20 Jahre alt ist und zu den besten Motocross-Piloten der 250-ccm-Klasse in Deutschland zählt.

Auf einer Yamaha PW-50 ging es seinerzeit los und schon bald wurden aus den Übungen zum Spaß die ersten Renneinsätze. »Mein erstes Rennen bestritt ich 2006 mit dem Baden-Württemberg-Cup. Es hat mich gleich gereizt, an Meisterschaften teilzunehmen«, verrät Stapel, dessen Vater eine Fahrschule betreibt.

Ohne die Unterstützung seiner Eltern wäre es dem Junior unmöglich gewesen, sein Hobby auszuüben. Motocross fahren ist keine Sportart wie Handball oder Fußball, die man im Normalfall im Heimatort und ohne große Kosten für die Ausrüstung betreiben kann. Weil der nächste Motocrossverein rund 40 Kilometer von Kettenacker entfernt lag, mussten Vater und Sohn die nicht unerhebliche Strecke zu Trainingseinheiten anfangs gemeinsam bewältigen, später brauste der Filius alleine los. »Das ging mit dem A1-Führerschein schon ab 16 Jahren. Ich lud meine Maschine in ein Autodreirad und zischte damit zum Training ab. Das Ding kommt auf eine Geschwindigkeit von nur 40 bis 60 Kilometern pro Stunde, sodass der Trip ins 40 Kilometer lange Reutlingen manchmal wie eine kleine Weltreise erschien«, erinnerte sich Elias. Mit 18 Jahren konnte er die Maschine mit einem Kastenwagen transportieren.

»So oft wie in anderen Sportarten haben wir in Reutlingen aber nicht trainiert. Meist stand nur der Mittwoch auf dem Übungsplan, manchmal auch nur alle zwei Wochen«, relativiert der Kettenacker, der sich ansonsten mit Joggen und Krafttraining in Schuss hält und in Gammertingen auch ein bisschen Fußball spielte.

Dass Stapel sicherlich nicht trainingsfaul war oder zu selten zu Übungszwecken auf seiner Motocross-Maschine fernab der Reutlinger Pisten an der Gönninger Landstraße saß, verdeutlichen seine Erfolge. Neben dem erwähnten ausgezeichneten dritten Platz im internationalen Starterfeld beim 250-ccm-Rennen um die Deutsche Meisterschaft vor wenigen Wochen in Reutlingen, wurde er 2013 Fünfter beim MX Junior-Cup in Aichwald (85 ccm), Cross-Final-Sieger (85 ccm) 2012 oder Deutscher MX2- Pokalsieger der 250-ccm-Klasse im Jahr 2015. Mit den deutschen Junioren vertrat er sein Heimatland bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Belgien und platzierte sich mit dem Team unter den besten 10.

Das Talent zum Profi wäre also durchaus vorhanden, doch der junge Mann setzt andere Prioritäten. »Nur wenige Motocross-Piloten können mit ihrem Sport in Deutschland richtig Geld verdienen. Oftmals hingegen legt man eher drauf und kann seine Kosten nicht decken. An eine Profikarriere denke ich derzeit nicht«, so Stapel, der nach der Realschule in diesem Jahr das Technische Gymnasium beendet und dann ohnehin seinen fahrbaren Untersatz eine Zeitlang kaum sehen wird. »Mich zieht es in die Welt hinaus. Ab März 2019 will ich ein Studium als Wirtschaftsingenieur beginnen. Doch vorher möchte ich Australien und Thailand erkunden«, verrät der Reutlinger RMC-Pilot seine Pläne.

Als Motocrosser hat er bisher nur das nahe Ausland kennengelernt, fuhr um WM-Punkte in Frankreich, raste außerdem in Österreich, Tschechien oder den Niederlanden über die entweder staubigen oder morastigen Pisten.

»Es hat mir immer Spaß gemacht. Ich bin ebenso wie mein Vater diesem Sport mit großer Leidenschaft verbunden«, stellt Elias Stapel klar.

Zum Glück wurde er bisher nie durch schwere Verletzungen aus der Spur geworfen. »Ich habe zwar mehrmals einen Finger gebrochen und kugelte mir häufig die Schulter aus. Etwas wirklich Schlimmes ist aber nie passiert.« Weil die Schulter mittlerweile seine Problemzone geworden ist, muss er spezielle Muskelübungen zur Prävention neuerlicher Komplikationen ausführen.

Elias Stapel ist kein Träumer.

»Ich bin mit dem Jetzt-Zustand zufrieden. Es reicht mir, die Deutsche Meisterschaft und die internationale ADAC MX Masters zu fahren. Meine Renn-Etats sind zwar gedeckt, doch letztlich bekomme ich von meinem Vater die meiste finanzielle Unterstützung. Meine Sponsoren stellen mir Kleidung und Motorrad zur Verfügung, sowie Reparaturkosten und andere Ersatzteile. Momentan sitzt das Team in Schmalkalden im Bundesland Thüringen«, so Stapel.

»Es ist ein teurer Sport, dem es in Deutschland an Unterstützung fehlt. Man muss einiges opfern für diesen Sport. Ich will mich aber nicht beklagen. Ich bin zufrieden wie es ist«, sagt Elias Stapel, dem sowohl bei der Analyse der Lage wie auch bei seinen Rennen ein wesentlicher Charakterzug hilfreich zur Seite steht. Er ist ein ruhiger, stets unaufgeregt die Dinge angehender Zeitgenosse, der zwar mit Leidenschaft aber viel Realitätssinn alles angeht.